von Engelbert Humpertdinck
Libretto von Elisabeth Ebeling in einer Neufassung von Philip Jenkins
Musikalische Leitung: MD Johannes Rieger
Bühnenbild und Kostüme: Wiebke Horn
mit Jeremias Koschorz (Prinz Reinhold), Norbert Zilz (König), Thea Rein (Königin), Nina Schubert (Röschen), Gijs Nijkamp (Koch),
Thomas Kiunke (Tellermeister), Annabelle Pichler (Rosa), Runette Botha (Morphina), Gerlind Schröder (Dämonia), Runette Botha (Quecksilber)
sowie Orchester und Opernchor des Nordharzer Städtebundtheaters
PREMIERE 1. DEZEMBER 2014
Mit der Aufführung von Engelbert Humperdincks heute weitgehend unbekannter Vertonung des Grimmschen Märchens, angereichert mit einigen frei erfundenen Szenen, hatte man sich sehr viel zugemutet. (...)Die liebevolle Inszenierung hatte Philip Jenkins übernommen, der auch eine moderne Dialogfassung erstellte mit aktuellen Anspielungen wie z.B. zu Prinz Reinhold, „ein Bandmitglied der Gruppe ‚Prinzen‘“, die im sehr gut besetzten Haus bestens ankam. Er ließ die schnell wechselnden Szenen munter ausspielen, was
durch Wiebke Horns kunterbunte, detailreiche Bühnenbilder und hübsche Kostüme unterstützt wurde. Besonders gelungen war das „Wachsen der Dornenhecke“ gelöst. Das gesamte Ensemble zeichnete sich durch besondere Spielfreude und Agilität aus. Star des Nachmittags war Gerlind Schröder als böse Fee Dämonia, die sich voll einsetzte, rassig-temperamentvoll spielte und auch gesanglich immer textverständlich blieb; hinreißend ihr Verführungsversuch und unvergesslich ihr diabolisches Gelächter! Ein reizendes Röschen war Nina Schubert , die mit leichtem Sopran ihr Lied „Zum ersten Mal allein“ sauber und mit Ausdruck erklingen ließ. Der Schauspieler Jeremias Koschorz legte den Prinz Reinhold (da ist eigentlich ein Tenor gefragt) modern burschikos an und gefiel durch sein intensives Spiel (...)
Problematisch war Humperdincks Musik für das kleine Orchester des Nordharzer Städtebundtheaters (...) Dass es dennoch eine empfehlenswerte Aufführung wurde, lag vor allem an dem guten Ensemblespiel der Darsteller. Um dies so selten gespielte Werk überhaupt einmal kennenzulernen, lohnt sich eine Fahrt nach Sachsen-Anhalt.
Marion Eckels, DER OPERNFREUND
„Die Arbeit am Text gleicht dem Vorgehen mit einer Machete gegen eine Dornenhecke, die ziemlich dicht ist,“ so hatte MD Johannes Rieger die von Regisseur Philip Jenkins verantwortete „Opern-Ausgrabung“ charakterisiert. Schließlich ließen die Autorinnen das Grimmsche Märchen bis in galaktische Sphären ziemlich ausufern. Einen sicheren Schnitt kann man den Halberstädter bescheinigen, wenn man die Premiere von „Dornröschen“ erlebt. Jenkins tat gut daran, eine eigene, teilweise recht heutige, von Pathos und Langatmigkeit befreiten Textfassung zu schaffen, in der Fischstäbchen genauso vorkommen wie Cola und „Die Prinzen“.
(...) In Halberstadt erleben ältere wie kindliche Zuschauer ein buntes Einstiegsstück in die Opernwelt. Musikalisch kein Leichtgewicht, denn Wagners Vorbild lässt grüßen. (...) Die Märchenoper gleicht einer Heldenreise für den Prinzen, bis er Dornröschen wach küssen darf. Der Schauspieler Jeremias Koschorz steigt in die moderne Robe des in das Foto von Röschen Verliebten und findet als ansehnlicher Adliger auch seinen Weg, um die sängerischen Passagen zu meistern, während die auf einem Ölbild Angebetete seit 100 Jahren minus drei Tagen schlummert. So geht er in der knapp bemessenen Rettungszeit auf eine Reise zu den Sternen und in die quecksilbrige Unterwelt.
Humperdincks „Dornröschen“ haftet der Ruf an, ein Stiefkind der Bühnen zu sein. Jenkins und Rieger behandeln gemeinsam mit ihrer Ausstatterin Wiebke Horn das Werk keineswegs stiefmütterlich, sondern schaffen eine, gerade in den Kostümen und der großen Besetzung mit Extrachor und Kinderstatisterie, opulente Inszenierung. Nina Schubert sticht sich am 15. Geburtstag hoch oben über dem eher schlichten Bühnen-Palastsaal an einer Spindel, die ihr die böse Fee reicht. So muss das Publikum pausenbedingt erst einmal auf Röschens zu Herzen gehenden Gesang verzichten.
Fast das gesamte Opern-Ensemble darf in die vielen, teilweise sängerisch nicht immer besonders dankbaren Rollen schlüpfen. Doch mit augenscheinlichem Spielspaß und in wunderschöner Kleidung machen sie aus „Dornröschen“ einen Seh- und Hörspaß. Im Mittelpunkt steht dabei die Böse. Dämonia, die böse Fee, wirkt Gerlind Schröder auf den Leib geschrieben. Sie funkelt, sie geifert und hext, schmeißt sich in tolle Outfits, um Prinz Reinhold, Enkel des Königs der Strahleninseln, von der Suche nach den Verlobungsringen und vom Kampf gegen das Dornengestrüpp abzubringen. Zwischen Tundra und Einöde lagert sie, um den Prinzen anzubaggern und in die Irre zu führen. Schließlich landet er bei der Sonne (Anke Walter), deren Sternchen, die wunderbare Kinderstatisterie, ihm die Erleuchtung bringen, dass er unter der Erde suchen muss. Wo Runette Botha, die auch als Fee Morphina gefällt, als Quecksilber dem Prinzen die Verlobungsringe aus Dämonias Gemächern verschafft. Annabelle Pichler als Feenkönigin Rosa verzückt besonders das kleine Publikum, während Thea Rein als Königin allein schon durchs Wuschelhaar auffällt. Norbert Zilz hat als König durch die nicht an Dämonia versandte Einladung das Drama um die Tochter Röschen erst ausgelöst und verfasst wenig später eine tolle Heiratsannonce. Sein Wortwitz um die Spindel, die er mit dem Spind verwechselt, zündet. Eine dankbare Rolle bekommt er später als Vogt mit Rauschebart, der dem schnuckeligen Prinzen die Suche nach der, dessen Opa versprochenen, Schönen ausreden will. Hinter der auf den Vorhang produzierten Dornenhecke, die sich lichtet, findet Reinhold schließlich das schlafende Röschen inmitten des versteinerten Hofstaates mit dem klassischen Koch (Gijs Nijkamp) und seinem Tellermeister (Thomas Kiunke). So erwacht die Titelfigur und alles ist, wie es in den Märchen so ist, gut.
Uwe Kraus, MITTELDEUTSCHE ZEITUNG